Den Kirchen laufen die Schäfchen weg. Als Folge wird nicht etwa das Schwinden von Moral und Anstand und eine sprunghafte Zunahme von Mord und Totschlag festgestellt, sondern das Schrumpfen des Geldsäckels: die Kirchensteuer bleibt aus.
Dieser anhaltende Trend macht allen angst, die an Religion auch ein wirtschaftliches Interesse haben – und das sind (neben den Kirchen) auch Verlage und Buchhandlungen. In dieser Situation tröstet eine Studie der Bertelsmann Stiftung und macht Mut:
Der Religionsmonitor
Der Religionsmonitor ist ein Messinstrument, mit dem festgestellt werden soll was "Gläubige" eigentlich glauben. Moment mal, bitte, wenn Sie sich jetzt gelangweilt umdrehen, weil Sie "Gläubige" bisher als Angehörige einer Konfession betrachteten, der Sie nicht angehören. Es ist nicht so wie Sie denken; es ist anders: Gläubige sind nach dem Religionsmonitor Religiöse, die als wesentliches Merkmal den Transzendenzbezug haben, auf gut Deutsch, die versteckt oder offen an eine wie auch immer geartete Macht oder einen Regulator oder sonst was nicht direkt Greifbares, aber Mächtiges, glauben.
www.religionsmonitor.com
Wenn Sie also über Ihr Seelenleben "objektiven" Bescheid einholen möchten, ob Sie hochreligiös, religiös oder nichtreligiös sind, trauen Sie sich zum Klick und beantworten Sie gut 100 Fragen – vollkommen anonym versteht sich.
Übrigens wurde die repräsentative Religionsmonitor-Umfrage erstmals 2007 bei weltweit 21000 Menschen durchgeführt. Die meisten Fragen dieser Aktion finden Sie im Internet. Und das Ergebnis? Auf Deutschland bezogen heißt es:
Wir sind nicht atheistisch!
Kein Wunder bei den Fragen! Da drängt es sich auf nachzuforschen, ob unter den befragten 21 Ländern überhaupt ein einziges atheistisches ist. Wenn Sie es bisher nicht wussten, es ist nämlich so:
Religiös ist, wer z.B. an Dämonen oder Engel, an Horoskope oder Gott oder an alles glaubt – der Nichtreligiöse glaubt nichts, nicht mal an toi, toi, toi.
Sehr gefährlich, denn gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen. Anscheinend resignierte selbst Voltaire, wenn er behauptete: Je öfter eine Dummheit wiederholt wird, desto mehr bekommt sie den Anschein der Klugheit. Der Wahrheitsgehalt der Romane Dan Browns („Sakrileg“, „Illuminati“) entspricht etwa dem der Bücher über Harry Potter. Da wundert es schon, wie viele Erwachsene ernsthaft daran glauben. Wie weit ist eine gewisse Volksverdummung heute schon vorangeschritten und wie gefährlich ist das? Greifen wir nur ein Beispiel heraus:
Die Hexen unserer Zeit geben sich friedfertig und weise, naturverbunden und voller Power und mit magischen Kräften ausgestattet, die wohl mehr der Einbildung entspringen. Wenn allerdings die Botschaft des Films „Antichrist“ kein Einzelfall bleibt, wird das Hexenbild wieder verändert in ein mittelalterliches, düsteres, das nach dem Scheiterhaufen ruft.
In der Fantasy-Bücherwelt wimmelt es von Magiern, Zauberlehrlingen und Dämonen, keusche Vampire könnten selbst den Papst wohlwollend stimmen und mit ihrem Heimchen-Herd-Getue Alice Schwarzer auf die Barrikaden bringen. Alles nicht weiter schlimm, wenn es in den Hirnen unter Verschluss gehalten wird. Es mag sogar trösten von Gleichberechtigung und Stärke zu träumen und von einer gewissen Überlegenheit. Gefährlich ist es, wenn dadurch für die Träumenden der Bezug zur Realität verloren geht, wenn sie im wirklichen Leben benachteiligt bleiben und sich dagegen nicht mehr wehren wollen.
Wir suchen etwas anderes. Wir suchen „gefährliche“ Bücher, mit denen sich die Auseinandersetzung lohnt. Ob Amazon bei dieser Suche helfen kann, oder Weltbild, Thalia, ein Verlag, ein Buchhändler – oder wer auch immer?
Wie gefährlich sind Bücher?
Wenn Bücher bilden, ist es ebenso selbstverständlich, dass sie auch verbilden (können) – vorausgesetzt, sie werden gelesen. Das hat sich auch Cervantes in seinem im 17. Jahrhundert veröffentlichten „Don Quichote" zu Herzen genommen. Sein edler Junker liest – dem Bestsellertrend seiner Zeit folgend - so viele Ritterromane, dass er Wahn und Wirklichkeit nicht mehr auseinanderhalten kann und gegen Windmühlen anrennt, die ihm als Riesen erscheinen. Hätte man deshalb die Ritterromane verbieten sollen?
Grenzenlos Schlimmes
Vom Marquis de Sade bis Houellebecq wird viel Schreckliches an unser Hirn vermittelt. Und selbst die Bibel ist mit Gräueltaten gespickt. Über die Hauptfiguren eines seiner Theaterstücke schrieb Jean Genet: „Die Zofen sind Ungeheuer wie wir selber, wenn wir dieses oder jenes träumen." Wie schon früher gesagt: Bücher werden heutzutage meistens für ziemlich ungefährlich gehalten. Man glaubt, dass die wirklichen Gefahren bei Videospielen, im Internet und beim Waffenbesitz zu suchen sind. Denen drohen deshalb Zensur und Verbote. Wenn eine Killeridee aber erst einmal freigesetzt wird, kann auch keine ellenlange Verbotsliste ihre Untaten verhindern. Ohne Frage sind Gewaltverherrlichung, Blasphemie und Menschenverachtung auch in Büchern vorhanden. Wann wird dabei die Grenze des Erlaubten überschritten? Oftmals kann das eine heikle Frage für Juristen sein. Wichtiger als alle Verbote und Embargos ist auf jeden Fall der Verschluss gefährlicher Wahnideen in den Köpfen. Niemals darf dieser Verschluss entriegelt werden und den Weg in die Realität frei machen.
Kann Zensur helfen?
Wo fangen wir damit an – wo hören wir auf? Alles Gefährliche zu verbieten, geht wohl nicht und das richtige Maß finden, ist leichter gesagt als getan. Helfen könnte ein alternatives Angebot. Nur wer sich einseitig den Kopf voll pfropft, läuft Gefahr, den Bezug zu Realität zu verlieren. Das Wissen um Alternativen und ihre Anwendung sind ein gutes Mittel um eine gefährliche Einseitigkeit zu verhindern.
Gibt es Verlage (Internet-)Buchhändler, die dabei helfen? Wo sind sie?
Dass es gefährlich ist Bücher zu schreiben, bekam schon Friedrich Schiller am eigenen Leib zu spüren und konnte sich nur durch Flucht retten. Missfallen bei der Obrigkeit hatte sich auch der junge Goethe eingehandelt und sogar den Zorn der Kirche auf sich gezogen.
Gefährlich erschien Goethes Die Leiden des jungen Werther nicht nur, weil das Buch gegen die Konventionen seiner Zeit verstieß. immerhin soll es junge Menschen auch zum Selbstmord gelockt haben. In manchen deutschen Gegenden wurde es deshalb verboten. Für wie viele Selbstmörder "der Werther" den Anlass gab, ließ sich aber schon zu Goethes Zeiten nicht genau feststellen.
Gefährliche Bücher waren nicht nur der Kirche, sondern vor allem auch der Obrigkeit ein Dorn im Auge. Heinrich Heine ist nicht der einzige, der ein Lied davon singen konnte. Man muss aber gar nicht so weit in der Vergangenheit nach Büchern suchen, die angeblich dem „gesunden Geist“ schadeten. Derart „gefährliche" Bücher schadeten allerdings weniger ihren Lesern als der amtierenden Macht.
Ernsthaft glaubt heute niemand mehr, dass vom Buche Gefahr ausgeht - Anleitungen zum Bombenlegen, politische Hetzschriften und ähnliches einmal ausgenommen. Wirklich gefährlich sind, wird vielerorts behauptet, bestimmte Computerspiele. Darum dreht sich heute hauptsächlich die Diskussion. Richtig oder falsch? Sollte es nicht auch "gefährliche Bücher" geben, mit den sich eine Auseinandersetzung lohnt? In etwa hat Schiller unsere Frage nach der Gefährlichkeit von Büchern bereits beantwortet:
Gefährlich ists , den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.
Davon mehr das nächstemal.