Mein Tipp für Verlage

Not macht erfinderisch

Als in der Nachkriegszeit das Papier knapp war und der Geldbeutel klamm, wurden die Taschenbücher erfunden. Zunächst erschienen bei Rowohlt großformatige Drucke auf billigem Papier: Rowohlts Rotations Romane (ro ro ro), aus denen sich die Taschenbücher entwickelten, die für 1,50 DM angeboten wurden und damit nur etwa 11 – 15 Prozent vom üblichen Ladenpreis des fest gebundenen Buchs kosteten. Sie boomten millionenfach. Zeitgleich wurden in neu gegründeten Buchgemeinschaften Titel zum Vorzugspreis angeboten, die dort nur noch etwa 60 % der Originalausgaben kosteten. Wem die Lektüre nicht genügte, der durfte sich auch an den goldgeprägten Buchrücken in der altdeutschen Wohnzimmerschrankwand erfreuen. Dem Buchhandel ging es gut. Bis das Fernsehen kam, die Buchkaufhäuser - und schließlich das Internet.
Lesefeinde
Erklärte man früher das Fernsehen zum Lesefeind Nr. 1, so versuchen heute die Verlage gegenüber dem Internet eine andere Strategie: Sie biedern sich dem Medium an. Sie eröffnen Internetportale, die sich mit Langeweile gegenseitig übertrumpfen, sie verschicken Newsletter mit überflüssigen Informationen und unsäglicher Werbung. Anstatt Netze mit interessierten Lesern zu knüpfen, stellen sie ihre Internetseiten selbstverliebten Bloggern und stammelnden Twittern zur Verfügung, und sie versuchen, den Markt für das E-Book zu erschließen. „Endlich papierfrei“ jubilierte kürzlich ein Verleger, der seine E-Books anpries und wenig später Antrag auf Kurzarbeitergeld stellte, weil der Umsatz einbrach.

Jetzt haben wir den Salat.
Überproduktion. Mittelmäßige Literatur in Überzahl. Viele überflüssige Bücher – und nur wenige Großbuchhändler und -verlage, die noch Reibach machen. Selbstverständlich hat man immer wieder nach realen Möglichkeiten aus der Krise gesucht, trotzdem hat es bis jetzt wenig geholfen. In den vergangenen 20 Jahren zeigte sich: Erscheinen weniger Bücher, sinkt auch der Umsatz, erscheinen mehr, ist Überproduktion die Folge. Wer soll die 140000 deutschsprachigen Bücher lesen, die allein dieses Jahr erschienen sind? Und das alles bei einer real abnehmenden Lesebereitschaft? 60 Euro gibt der durchschnittliche Leser im Jahr für Bücher aus. Was sollte ihn da reizen einen E-Book-Reader für 300 Euro zu kaufen?

Kreative Buchhändler? Wo?
Kräftig am Leser vorbei rollt die Werbung für das neue Medium E-Book. Zum Beweis zitiere ich hier einige Argumente der Thalia.de (kursiv) und meine Meinung dazu:

E-Books können Sie 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche kaufen. Sie sind weltweit verfügbar und stehen innerhalb nur weniger Minuten direkt zum Lesen bereit.
Langsam, langsam. Wer will denn alles jederzeit und sofort? Außerdem ist höchst fraglich, ob das von mir gewünschte Buch auch als E-Book lieferbar ist.

Die E-Book Lesegeräte und besonders der Sony Reader PRS-505 bieten Funktionen und Möglichkeiten, die ein gedrucktes Buch nicht bieten kann: Zum Beispiel können Sie die Schriftgröße Ihrem eigenem Lesekomfort entsprechend anpassen oder dem Text beliebig viele Lesezeichen hinzufügen. So wird das Buch zu einem interaktiven und offenen, modernen Medium.
Achtung, wenn ich anfange die Schriftgröße auf dem Reader meinen Augen anzupassen, sollte ich besser einen Optiker aufsuchen und meine Sehschärfe untersuchen lassen. Vielleicht brauche ich dringend eine neue Brille. Statt beliebig vieler Lesezeichen wäre mit lieber, wenn ich im E-Book eigene schriftliche Vermerke anbringen könnte.

Ihre eigene Bibliothek können Sie dank E-Books überall hin mitnehmen: Allein auf dem internen 92 Megabyte Speicher können circa 160 Bücher abgelegt werden. Die Kapazität der Reader lässt sich... erweitern – auf 16 Gigabyte Speicher passen sogar bis zu 13.000 Bücher.
Will ich das wirklich? Will ich überall bis zu 13.000 Bücher bei mir haben? Nein.


Der Reader gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Lieblingsbücher auf eine neue, komfortable Weise zu genießen und sie immer dabei zu haben während Sie unterwegs sind.
Schön wär’s. Schauen wir mal, welche meiner Lieblingsbücher von Günter Grass, Ces Nooteboom, Milan Kundera überhaupt als E-Book erhältlich sind. Kein einziges!

Merkwürdig gestelzt klingt die Antwort von thalia.de auf die Frage nach dem Preis. Da heißt es:
„Der Preis der E-Books wird von den Verlagen festgelegt. Das Bestreben ist es, die E-Books in Absprache mit den Verlagen generell günstiger als das gedruckte Buch anzubieten. Für einen Großteil der Titel trifft dies bereits zu. Sie liegen für einen ansehnlichen Teil der Titel im Durchschnitt etwa 20 % unterhalb des Preises für das ‚normale’ Buch."
Der Preis für Bücher wird schon immer von den Verlagen festgelegt. Hat Thalia neuerdings Mitspracherecht bei der Preisgestaltung? Gibt’s da etwa Preisabsprachen mit den Verlagen? Herstellungs- und Vertriebskosten eines E-Books sind doch weitaus günstiger als beim herkömmlichen Buch; warum kosten dann nicht alle E-Books weniger als gebundene Bücher und warum liegen die Preise nur 20 Prozent unterhalb des Preises für das normale Buch?

Mein Tipp für Verlage
Von den jährlich 140000 neuen Büchern kann ich mir leider nur einen Bruchteil leisten und von dieser eingekauften Lektüre erscheint mir nachträglich ein Großteil relativ überflüssig. Ich will damit nicht sagen, dass die meisten meiner Bücher besser ungelesen geblieben wären, aber in meiner Bibliothek möchte ich sie nicht haben – und sie sollten auch nicht den Speicher meines E-Book-Readers blockieren. Mein Problem ist die Buchentsorgung. Irgendwie scheue ich mich, Bücher ganz einfach in die Mülltonne zu werfen und außerdem ärgere ich mich, wenn ich meinen Etat für Bücher nicht besser anlegen konnte. Die Lösung wäre, wenn ich zum Beispiel Novitäten für die Dauer von sagen wir 14 Tagen herunterladen (ausleihen) könnte. Nach Ablauf dieser Frist könnte sich die Datei selbst löschen und selbstverständlich wäre auch nichts einzuwenden gegen einen Kopierschutz. Für eine solche befristete Ausleihe würde ich dem Verlag pro Titel gern drei Euro bezahlen.

Möchte ich ein Buch nach dieser ersten Lektüre in meiner Bibliothek besitzen, möchte ich es ein weiteres mal lesen wollen, würde ich es in Buchform zum üblichen Ladenpreis kaufen. Diese Lösung würde mir helfen, den Verlagen ebenfalls und der Qualität allemal.

Hierbei müssen wir nicht von jenen Büchern reden, für die ein Angebot als E-Book überhaupt nicht in Frage kommt. Besonders schön gestaltete Bücher gehören dazu, Bücher, die sich durch besondere Ausstattung auszeichnen.

Wer denkt so wie ich? Prüfen Sie es, liebe Verlage. Wozu haben Sie ein Marketing? Seien Sie kreativ.





eternalflame am 09.Dez 09  |  Permalink
Hm, eine interessante Idee, Ihre 14 Tage für drei Euro. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass sich das für Verlage tatsächlich lohnt. Denn der Großteil der Leute liest Bücher wohl nicht doppelt, und wenn, dann auch nur einen Bruchteil der gelesenen Bücher. Ich muss sagen, dass mir das E-Book-Konzept sowieso irgendwie nicht gefällt. Mag altmodisch klingen,aber das Besondere und Schöne an Büchern würde meiner Meinung nach dadurch verloren gehen.

buecherabissz am 11.Dez 09  |  Permalink
Noch mal zu meinem Tipp
Bücher, die ich gern mindestens zweimal lesen möchte – und es wird davon immer viel, viel mehr geben als ich mir leisten kann – möchte ich auf Papier gedruckt und gebunden in meiner Bibliothek besitzen. Den Spaß, die Freude, den Genuss daran darf mir kein E-Book nehmen.

Über Bücher, die ich nachdem ich sie gekauft und gelesen kein weiteres Mal in die Hand nehmen werde, ärgere ich mich. Vor allem ärgere ich mich deshalb, weil ich Geld für die "Falschen" ausgegeben habe, das mir jetzt für die "Richtigen" fehlt. Und zudem habe ich Probleme mit der Entsorgung; denn Platz sollten sie in meiner Bibliothek keinen haben, nicht mal Speicherplatz auf dem E-Book-Reader.

Da scheint mir mein Tipp die Lösung zu sein: Ein befristetes, sehr preiswertes Angebot als E-Book - und danach kann ich entscheiden, ob ich das Buch dauerhaft (auf Papier und gebunden) besitzen will. Die Realisierung dieses Tipps würde meine Leselust beträchtlich erhöhen und meinen Bücherkauf in jeder Form ankurbeln.

Ob sich das für die Verlage lohnt? Nein, wenn sie Überflüssiges vom Band produzieren, Ja, wenn sie auf Qualität achten.